Sehr geehrter Herr Bürgermeister Loskill, sehr geehrter Herr Müller, sehr verehrte Mitarbeiter*innen der Verwaltung, sehr verehrte Ratsmitglieder, sehr verehrte Medienvertreter*innen.
Herr Müller, danke an Sie und Ihre Mitarbeiter*innen für die Erarbeitung des Haushaltsentwurfs.
Wahlprogramm vs. Haushalt
Wir von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN haben uns für diese Legislatur viel vorgenommen. Zur Vorbereitung auf die heute anstehende Haushaltsabstimmung haben wir unser aktuelles Wahlprogramm mit dem Haushaltsentwurf verglichen, um herauszufinden, wieviel davon umgesetzt werden kann.
Fazit: Die finanzielle Situation unserer Gemeinde ist wesentlich ernster, als wir seinerzeit befürchtet haben. Der Handlungsspielraum ist äußerst begrenzt.
Keine Vision, Personalabbau und Steuererhöhungen
In diesem Haushaltsentwurf ist kein Platz für Visionen und Ideen, wohin die Reise gehen wird. Er basiert einzig auf dem Prinzip Hoffnung und er enthält unkalkulierbare Risiken. Dem stimmen wir von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN nicht zu. Doch wir sind uns auch unserer Verantwortung und der Folgen bewusst, wenn der Haushaltsentwurf abgelehnt wird. Deshalb werden wir uns enthalten.
Den Haushaltsausgleich allerdings lehnen wir ab. Denn er gelingt nur über eine deutliche Erhöhung der Grundsteuer B und über Personalabbau.
Hoffen und Bangen
Wir werden diesem Haushaltsentwurf nicht zustimmen. Und zwar nicht, weil er handwerkliche Fehler enthält, sondern weil er ein einziges Hoffen und Bangen ist. Es wird darauf gehofft, dass Planansätze wie in der Vergangenheit nicht vollständig genutzt werden. Bei einer unsicheren Einnahmesituation muss man darum bangen, dass die Zinsen für Liquiditätskredite nicht steigen. Es wird davon ausgegangen, dass genügend Fördertöpfe zur Verfügung stehen, um substantielle Aufgaben erfüllen zu können. Bei allem Respekt: das hat mit kommunaler Selbstverwaltung nicht mehr viel zu tun.
Haushaltsausgleich aus der Trickkiste
Die freiwilligen Leistungen werden nahezu auf Null heruntergefahren. Das Eigenkapital ist aufgezehrt. Der Haushaltsausgleich wird nur erreicht, weil in 2023 Personal abgebaut und in die Trickkiste gegriffen wird, indem wir „rechnerisch“ die Grundsteuer B massiv erhöhen. Doch mit Personalabbau wird die Leistungsfähigkeit der Verwaltung geschwächt, und mit der Erhöhung der Grundsteuer B trifft es diejenigen, die sich nicht wehren können.
Ungewisse Zukunft
Der vorliegende Haushalt birgt Risiken, die kaum kalkulierbar sind, wie Tarifsteigerungen, Zinserhöhungen, die Entwicklung der Transferleistungen, um nur einige zu nennen. Diese Risiken werden zwar benannt, aber wie ihnen begegnet werden soll, bleibt unklar. Ein einziger Hoffnungsschimmer findet sich im Haushaltssicherungskonzept: Zwischen den Kommunen Neunkirchen-Seelscheid, Much und Ruppichteroth wird über ein gemeinsames Fördermittelmanagement nachgedacht. Wie wichtig es sein kann, Fördermittel zu finden und auch zu beantragen, sieht man an unserem erfolgreichen Antrag zur Verbesserung der Haltestellen.
Allerdings muss in der interkommunalen Zusammenarbeit deutlich mehr passieren. Vor allem brauchen solche Maßnahmen Zeit, die wir eigentlich nicht mehr haben. Denn in 2023 wird Personal abgebaut, das wir dann dringender denn je benötigen. Und wir stellen jetzt schon fest, dass die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden in der Verwaltung am Limit ist.
Ross und Reiter
Doch warum sind wir in dieser prekären Lage? Die Hoffnung, den Haushaltsausgleich verschieben zu können, weil uns eine Pandemie vor nicht geahnte Herausforderungen stellt, hat sich nicht erfüllt. Während im Bund die Schuldenbremse ausgesetzt wird und die Neuverschuldung in die Höhe schnellt, werden uns vom Land immer neue Aufgaben übertragen, während der finanzielle Ausgleich auf sich warten lässt. Dies widerspricht massiv dem Konexitätsprinzip und treibt unsere Gemeinde über die Grenzen der Leistungsfähigkeit hinaus, sowohl finanziell als auch personell. Die Kreisumlage macht mehr als die Hälfte unserer Gesamtaufwendungen aus. Am Ende der Kette stehen wir als Kommune vor dem finanziellen Kollaps.
Klartext
Allerdings muss das den Bürger*innen auch so erklärt werden! Wir werden nicht so tun, als sei dieser Haushalt der große Wurf und als hätten wir nennenswerte Handlungsspielräume. Nein, im Grunde stehen wir alle mit leeren Händen da, haben Erwartungen bei unseren Wähler*innen geweckt, können aber kaum etwas umsetzen, da uns die Mittel fehlen.
Und da erwarten wir GRÜNE vor allem von den Ratsfraktionen, deren Parteien im Bund resp. im Land regieren, mit ihren Landes- und Bundesparteien ins Gefecht zu gehen, so wie wir GRÜNE uns mit unserer Kreistagsfraktion auseinandersetzen werden, was die Höhe der Kreisumlage betrifft. Und: wir werden ehrlich gegenüber den Bürger*innen sein!
Nach der Abstimmung über diesen Haushaltsentwurf warnen wir ausdrücklich davor, sich beruhigt zurückzulehnen und sich der Illusion hinzugeben, die Kuh sei vom Eis! Die sprichwörtliche Kuh kann 2023 erst richtig ins Schlittern geraten, und wir können froh sein, wenn uns vor lauter Gürtel-enger-schnallen die Luft nicht ausgeht.
Und jetzt?
Wir alle, die wir hier sitzen, kosten laut Haushaltsentwurf knapp EUR 180.000. Deshalb liegt es an uns, kreative Ideen zu entwickeln, um das Beste aus dieser extrem schwierigen Situation zu machen – und zwar im Interesse der Bürger*innen und nicht im Hinblick auf irgendwelche Wahlen, die demnächst stattfinden. Wir alle sind nicht die Erfüllungsgehilfen der Bundes- oder Landesparteien, sondern haben hier in unserer Gemeinde unsere Aufgaben zu erledigen.
Ich habe eben gesagt, dass wir von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN diesem Haushaltsentwurf nicht zustimmen. Wir werden ihn aber auch nicht ablehnen. Uns ist bewusst, in welcher Zwickmühle wir stecken. Wir stellen uns der Verantwortung und sind bereit, unseren Beitrag zu leisten, um trotz der schwierigen Ausgangslage das Leben in unserer Gemeinde positiv zu gestalten.
Und deshalb bitte ich eindringlich darum, konstruktiv zusammenzuarbeiten. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren – das zeigt uns nicht nur dieser Haushaltsentwurf.
Ich wünsche uns allen gute Ideen, viel Glück und einen ausgeprägten Sinn für das Wohl unserer Gemeinde.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die Fraktion
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Ruppichteroth
Holger Zacharias
Fraktionsvorsitzender
Ruppichteroth, der 11.05.2021