Die Landwirtschaft ist Täter und Opfer zugleich. Einerseits trägt sie zum Klimawandel bei, andererseits ist sie stark von deren Auswirkungen betroffen. Lukas Tölkes vom Gut Fussberg sieht in der regenerativen Landwirtschaft einen Weg raus aus diesem Dilemma. Bei einer Führung über seinen Hof, den die GRÜNEN Ruppichteroth organisiert hat, erklärt der Landwirt seine Vision. Und warum er zukünftig kein Bio-Bauer mehr sein will.
Lukas Tölkes träumt. Von einem Urwald auf seinem Acker in Ruppichteroth. Auf diesem wachsen Bäume, in deren Schatten Rinder grasen. Eine Etage tiefer scharren Hühner in einem Dickicht aus Raps und Wicken. Und wenn es so weit ist, dann fährt Tölkes mit seinem Trecker durch den Dschungel und bringt die Ernte ein. Was sich für Laien nach einem biologischen Wirrwarr anhört, hat System und nennt sich Agroforstwirtschaft. „Dabei kombinieren wir Landwirtschaft, Viehzucht und Forstwirtschaft, um die Artenvielfalt zu steigern und um das Mikroklima und die Bodenqualität zu verbessern“, erklärt Tölkes den 19 Zuhörerinnen und Zuhörern, die auf einem seiner Äcker stehen. Auf diesem hat der Landwirt schon die ersten Pappeln gepflanzt. In Brandenburg gebe es bereits Betriebe, die 800-Hektar-Flächen nach diesem Prinzip bewirtschaften würden. Hier in Ruppichteroth sind die Felder kleiner. Trotzdem denkt Lukas Tölkes groß. In diesem Jahr hat der Bio-Bauer seinen Betrieb auf regenerative Landwirtschaft umgestellt. In fünf Jahren soll Gut Fussberg wirtschaftlich sein.
Alles dreht sich um den Humus
„Im Prinzip geht es bei der regenerativen Landwirtschaft darum, dem Boden und der Natur mehr zu geben als wir nehmen“, sagt der 32-Jährige. Das will er durch eine vielfältige Begrünung seiner Äcker, eine systematische Weidetierhaltung und eine schonende Bodenbearbeitung erzielen. Diese Maßnahmen sollen dazu führen, Kohlenstoff in der Erde zu binden und diese mit Humus anzureichern. Humus ist eine organische Substanz und Nährstoff für zahlreiche Mikroorganismen. Je mehr Humus im Boden enthalten ist, desto fruchtbarer ist dieser. Fünf Prozent sollten es mindestens sein. Doch auf deutschen Äckern liegt der Humusgehalt bei maximal zwei Prozent. Tölkes Böden enthalten 3,7 Prozent Humus. Zwei Stunden schlendert der Landwirt mit den Besucherinnen und Besuchern über seinen Hof und versucht, ihnen seine Vision zu erklären. Organisiert hat die Führung die GRÜNEN Ruppichteroth. „Wir möchten zeigen, dass bei uns Menschen mit Ideen für die Zukunft leben. Gute Lebensmittel zu produzieren und gleichzeitig die Umwelt im Blick zu haben, das muss kein Widerspruch sein“, sagt Karl Hessing, Fraktionsmitglied der GRÜNEN und Beisitzer im Ortsverband Ruppichteroth.
Der Klimawandel zwingt ihn zum Umdenken
Dass Lukas Tölkes einen neuen Weg eingeschlagen hat, liegt am Klimawandel. Nach drei Dürrejahren in Folge und Ernteausfällen stellte sich ihm die Frage, wie er seine Pflanzen zukünftig bewässern kann. Bei seiner Suche nach einer Antwort stößt er auf die regenerative Landwirtschaft. „Bis dato hatten wir einen Bio-Betrieb. Ich habe mit Gülle und Hühnerkot gedüngt und war der Meinung, alles richtig zu machen. Dabei habe ich eine konventionelle Landwirtschaft betrieben, nur eben ohne Pestizide und mineralischen Dünger.“ Perspektivisch will Tölkes auf seine Bio-Zertifizierung verzichten. Sie sei ihm zu wenig. „Für mich ist die regenerative Landwirtschaft alternativlos. Wir haben keine Zeit, um weiter an den Symptomen herumzudoktern. Wir müssen jetzt bei den Ursachen des Klimawandels ansetzen, wenn wir ihn stoppen wollen.“ Aktuell sei die Landwirtschaft ein Klimaproblem. Lukas Tölkes glaubt, dass sie die Klimalösung sein könnte. Doch dafür müssten die Verbraucher auch bereit sein, höhere Preise für Lebensmittel zu bezahlen. Denn die regenerative Landwirtschaft ist arbeitsintensiver und ertragsärmer als die konventionelle. Und von ihrem Idealismus allein können Bauern wie Lukas Tölkes nicht leben. „Ich muss auch zusehen, dass ich über die Rettung der Welt nicht pleite gehe.“